Verordnung von Lymphdrainage
bei Lymphödem bzw. Lipödem

Neuerungen 01.01.2021

Die am 1. Januar 2021 mit dreimonatiger Verspätung in Kraft getretene Heilmittel-Richtlinie bringt sowohl für Patien(inn)en mit chronischen Lymphödemen oder einem Lipödem als auch die verordnenden Ärzte erhebliche Verbesserungen. Denn jetzt kann Manuelle Lymphdrainage (MLD) wesentlich einfacher und bedarfsgerechter verordnet werden als je zuvor. Doch leider scheint diese Erkenntnisse bei vielen Ärzten noch nicht so recht angekommen zu sein.

Darauf lassen jedenfalls die zahlreichen Klagen von Patient(inn)en schließen, die uns seit Anfang des Jahres erreichen. Diese lauten, dass es jetzt keine Langzeitverordnungen mehr geben soll und pro Rezept nur noch 6 Behandlungen verordnet werden dürfen. Das würde bedeuten, dass die Patient(inn)en alle 2 bis 3 Wochen bei ihrem Arzt antanzen müssen, um ein Rezept mit gerade mal 6 Behandlungseinheiten zu bekommen. Auf diese Weise würden pro Jahr viel mehr Rezepte anfallen, wobei für jedes einzelne die Rezeptpauschale von 10 Euro zu bezahlen wären. Doch das stimmt alles nicht!

In diesem Beitrag informieren wir sie darüber, dass derartige Befürchtungen völlig unberechtigt sind und das mit der neuen Heilmittel-Richtlinie tatsächlich vieles besser und einfacher geworden ist. Dafür müssen wir vorab einige Begriffe klären. Laut Gesetz soll mit der Heilmittel-Richtlinie gesichert werden, dass die Versorgung der gesetzlich Versicherten mit Heilmitteln unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Sie ist für die gesetzlichen Krankenkassen, für die Versicherten, die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sowie die Heilmittelerbringer verbindlich. Info: „Vertragsarzt“ ist das gleiche wie „Kassenarzt“.

Heilmittel sind gemäß der Heilmittel-Richtlinie „persönlich zu erbringende medizinische Leistungen“.

Dazu gehören

Heilmittel können zu Lasten der Krankenkassen nur verordnet werden, wenn sie notwendig sind, um

Da die Manuelle Lymphdrainage (MLD) zur Physiotherapie gehört, wird ihre Verordnung von der Heilmittel-Richtlinie geregelt. Info: Rein apparative Behandlungen, wie etwa die Intermittierende Pneumatische Kompressionstherapie (IPK, früher auch „AIK“ genannt) sind keine persönlich zu erbringenden medizinische Leistungen und somit keine Heilmittel.

Auch für die Ärzte bringt die neue Heilmittel-Richtlinie spürbare Erleichterungen. Denn sie vereinfacht die Regelungen für die Verordnung von Heilmitteln, die über die Jahre so komplex geworden sind, dass sie im Praxisalltag kaum noch zu überblicken waren und oft einen hohen Verwaltungsaufwand verursachten. Darauf werden wir später eingehen.

Schluss mit Regelfall und Verordnungen außerhalb des Regelfalls
Die neue Heilmittel-Richtlinie hat mit der komplizierten Regelfallsystematik Schluss gemacht! Jetzt gibt es keine Erstverordnung, Folgeverordnung und Verordnung außerhalb des Regelfalls mehr. Mit dem Wegfall der Verordnung außerhalb des Regelfalls entfällt natürlich auch das entsprechende Genehmigungsverfahren, das einige Krankenkassen verlangt haben.

Lymphödeme – langfristiger Heilmittelbedarf (LHM)
Wie bisher gibt es für jede Heilmittel-Verordnung Höchstmengen, es sei denn, es liegt ein langfristiger Heilmittelbedarf (LHM) vor. Das ist bei allen chronischen Lymphödemen der Fall. Bei diesen können Kassenärzte bereits ab dem ersten MLD-Rezept Behandlungseinheiten für bis zu 12 Wochen verordnen. Das wären bei einer Frequenzempfehlung von „2 x wöchentlich” 24 MLD-Anwendungen, bei einer Frequenzempfehlung von „3 x wöchentlich” sogar 36 MLD-Anwendungen.

Wenn der Arzt beim Ausfüllen des Rezepts als Diagnose mittels ICD-10-Code ein chronisches Lymphödem angibt, zeigt die Praxissoftware automatisch an, dass der langfristige Heilmittelbedarf vorliegt. Denn in ihr sind die ICD-10-Codes aller chronischen Lymphödeme hinterlegt, die da sind: I89.01, I89.02, I89.03, I89.04, I89.05, I97.21, I97.22, I97.82, I97.83, I97.85, I97.86, Q82.01, Q82.02, Q82.04 und Q82.05. Für diese Diagnosen wurden auf Bundesebene vereinbart, dass sie das Verordnungsbudget des Arztes nicht belasten. Grundsätzlich sind MLD-Verordnungen für sämtliche Lymphödeme nach einer Krebserkrankung „budgetneutral“.

Lipödem – besonderer Verordnungsbedarf (BVB)
Wie bisher gibt es für jede Heilmittel-Verordnung Höchstmengen, es sei denn, es liegt ein besonderer Verordnungsbedarf (BVB)vor. Das ist bei allen Stadien des Lipödems der Fall, selbst wenn gleichzeitig kein Lymphödem vorliegt. Hier können Kassenärzte bereits ab dem ersten MLD-Rezept Behandlungseinheiten für bis zu 12 Wochen verordnen. Das wären bei einer Frequenzempfehlung von „2 x wöchentlich” 24 MLD-Anwendungen, bei einer Frequenzempfehlung von „3 x wöchentlich” sogar 36 MLD-Anwendungen.

Wenn der Arzt beim Ausfüllen des Rezepts mittels ICD-10-Code als Diagnose Lipödem angibt, zeigt die Praxissoftware automatisch an, dass ein besonderer Verordnungsbedarf vorliegt. Denn in ihr sind die ICD-10-Codes aller Stadien des Lipödems hinterlegt, die da sind: E88.20, E88.21 und E88.22. Für diese Diagnosen wurden auf Bundesebene vereinbart, dass sie das Verordnungsbudget des Arztes nicht belasten.

Wichtig: Beim Lipödem kann MLD nur im Zusammenhang mit komplexer physikalischer Entstauungstherapie (MLD, Kompressionstherapie, Übungsbehandlung, Bewegungstherapie und Hautpflege) verordnet werden, wobei aber nicht immer alle Komponenten zeitgleich erforderlich sind. Die Regelung, dass beim Lipödem ein besonderer Verordnungsbedarf vorliegt, ist bis 31. Dezember 2025 befristet.

Die Verordnung von Manueller Lymphdrainage (MLD)
Manuelle Lymphdrainage (MLD) ist eine spezielle Massagetechnik, die einen Dehnungsreiz auf die Haut und die darunterliegenden Schichten ausübt. Sie intensiviert die Aufnahme von Gewebsflüssigkeit in das Lymphgefäßsystem und deren Abtransport. Somit dient die MLD zur Entstauung und Reduzierung von Lymphödemen. Ergänzende manuelle Techniken können Verhärtungen (Fibrosen) von Geweben aufweichen und verhindern, dass diese chronisch werden.

Weitere Wirkungen der MLD können die Linderung von Schmerzen und Spannungen im Gewebe sein, sofern diese im Zusammenhang mit der Lymphabflussstörung auftreten. Ist eine Kompressions-Bandagierung (Lymphologischer Kompressionsverband) erforderlich, kann diese in Ergänzung der MLD erfolgen. Die Kompressions-Bandagierung hat im Anschluss an die Therapiezeit der MLD zu erfolgen! Erforderliche Kompressionsbinden sind gesondert als Verbandmittel zu verordnen, sofern keine Hilfsmittel zur Kompressionstherapie (etwa Kompressionsstrümpfe) vorhanden sind. Je nach Indikation (rechtfertigender Grund) ist MLD folgendermaßen verordnungsfähig:

a) MLD-30 Minuten (Teilbehandlung)
bei leichtgradigen Lymphödemen, Ödemen oder Schwellungen zur Behandlung eines Körperteils wie

b) MLD-45 Minuten (Großbehandlung)
bei Lymphödemen, Phlebo-Lymphödemen oder Lipödem zur Behandlung von 2 Körperteilen wie

c) MLD-60 Minuten (Ganzbehandlung)
bei schwergradigen Lymphödemen oder Lipödem zur Behandlung von 2 Körperteilen wie

bei schwergradigen Lymphödemen mit Komplikationen durch Strahlenschädigungen (mit z. B. Schultersteife, Hüftsteife oder Plexusschädigung) zur Behandlung eines Körperteils wie

Zuzahlung
Gesetzlich Krankenversicherte müssen sich in Form von Zuzahlungen an den Gesundheitskosten beteiligen. Bei Heilmitteln – wie etwa MLD – beträgt die Zuzahlung 10 Prozent der Kosten plus 10 Euro je Rezept (§ 61 SGB V – Fünftes Sozialgesetzbuch). Zuzahlungen sind nur bis zur „finanziellen Belastungsgrenze“ zu leisten: 2 Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt bzw. 1 Prozent für chronisch kranke Patienten. Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres sind von fast allen Zuzahlungen befreit.

Die neue Heilmittel-Richtlinie und die Ärzte
Die Regelungen für die Verordnung von Heilmitteln sind über die Jahre so komplex geworden, dass sie im Praxisalltag kaum noch zu überblicken waren und oft einen hohen Verwaltungsaufwand verursachten. Das hat sich mit der neuen Heilmittel-Richtlinie ausgesprochen positiv geändert. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) nennt als wichtigste Neuerungen für die Ärzte:

Systematisch sind drei Begriffe wichtig:

Bezugsgröße ist nicht mehr der Regelfall, sondern der Verordnungsfall. Er bezieht sich auf den Arzt, die Erkrankung seines Patienten und auf das Verordnungsdatum.

Ärzte müssen damit nicht mehr in Erfahrung bringen, wieviel Heilmittel andere Kolleginnen oder Kollegen diesem Patienten verordnet haben.

Ein Verordnungsfall endet sechs Monate nach dem Verordnungsdatum – sofern der Arzt in dieser Zeit keine weitere Verordnung aufgrund derselben Erkrankungen für diesen Patienten ausstellt.

Für jede Diagnosegruppe ist im Heilmittelkatalog eine sogenannte orientierende Behandlungsmenge angegeben, mit der das Behandlungsziel erreicht werden soll. Sofern medizinisch notwendig, können Ärzte weitere Verordnungen ausstellen. Eine Begründung ist nicht mehr auf der Verordnung, sondern nur noch in der Patientenakte zu dokumentieren.

Allerdings: Wie bisher gibt es für jede Verordnung Höchstmengen. Diese dürfen Ärzte nur in Ausnahmefällen überschreiten – etwa bei langfristigem Heilmittelbedarf oder bei einem besonderen Verordnungsbedarf.

Die Mengen finden Ärzte im Heilmittelkatalog – auch die jeweils empfohlene Therapie-Frequenz.

Den gesamten Katalog können Ärzte auch mobil ganz einfach nach Begriffen durchsuchen. Die App KBV2GO! wird fortlaufend aktualisiert.

Insgesamt ist der Heilmittelkatalog jetzt übersichtlicher. Die Diagnosegruppen sind zusammengefasst, vor allem im Bereich Physiotherapie.

Innerhalb der Diagnosegruppen wird nicht mehr unterschieden zwischen kurzfristigem oder mittelfristigem beziehungsweise langfristigem Behandlungsbedarf.

Was ebenfalls entfällt: das Aufrechnen der Verordnungsmengen von Vor-Verordnungen für verwandte Diagnosegruppen. Und: Ärzte brauchen nicht mehr formell zu wechseln zwischen verwandten Diagnosegruppen.

Statt der früheren drei Formulare gibt es ab 1. Januar 2021 nur noch eins, das neue Formular 13.

Darauf können Ärzte neuerdings mehrere Leitsymptomatiken angeben oder bis zu drei vorrangige Heilmittel zugleich verordnen. Auch haben Ärzte die Möglichkeit, die Verordnung als dringlich zu markieren.

Besteht kein dringlicher Behandlungsbedarf, behält die Verordnung nun länger ihre Gültigkeit:
nämlich 28 Tage lang, früher waren es nur 14 Tage. Das soll Patienten mehr Zeit geben, den richtigen Heilmitteltherapeuten zu finden und einen Termin zu vereinbaren.

Auszug aus der Heilmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses

Seite 4: Hinzu kommen die Diagnoselisten für den langfristigen Heilmittelbedarf und besonderen Verordnungs-bedarf. Die Verordnungen bei den dort gelisteten Diagnosen unterliegen nicht der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Das heißt, die Kosten für diese Verordnungen werden bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen aus dem vertragsärztlichen Verordnungsvolumen herausgerechnet.

Seite 10: A. ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE

§ 7 Verordnungsfall, orientierende Behandlungsmenge, Höchstmenge je Verordnung

(1) Ein Verordnungsfall umfasst alle Heilmittelbehandlungen für eine Patientin oder einen Patienten auf Grund derselben Diagnose (d. h. die ersten drei Stellen des ICD-10-GM-Codes sind identisch) und derselben Diagnosegruppe nach Heilmittelkatalog.

(5) Im Heilmittelkatalog ist zudem die zulässige Höchstmenge an Behandlungseinheiten je Verordnung festgelegt.

(6) Abweichend von Absatz 5 gilt für Versicherte mit einem langfristigen Heilmittelbedarf nach § 8, dass die notwendigen Heilmittel je Verordnung für eine Behandlungsdauer von bis zu 12 Wochen verordnet werden können. Dies gilt ebenso für Verordnungen aufgrund von ICD-10-Codes, in Verbindung mit der entsprechen-den Diagnosegruppe, die einen besonderen Verordnungsbedarf nach § 106b Absatz 2 Satz 4 SGB V begründen.

ERKRANKUNGEN DES LYMPHSYSTEMS

ICD-10 Diagnose Physiotherapie Hinweise / Spezifikation
C00-C97 Bösartige Neubildungen LY Neubildungen nach OP / Radiatio, insbesondere bei
- bösartigem Melanom
- Mammakarzinom
- Malignome Kopf / Hals
- Malignome des kleinen Beckens (weibliche, männliche Genitalorgane, Harnorgane)
ICD-10 Diagnose Physio-therapie
I89.01 Lymphödem der oberen und unteren Extremität(en), Stadium II LY
I89.02 Lymphödem der oberen und unteren Extremität(en), Stadium III LY
I89.04 Lymphödem, sonstige Lokalisation, Stadium II LY
I89.05 Lymphödem, sonstige Lokalisation, Stadium III LY
I97.21 Lymphödem nach (partieller) Mastektomie (mit Lymphadenektomie), Stadium II LY
I97.22 Lymphödem nach (partieller) Mastektomie (mit Lymphadenektomie), Stadium III LY
I97.82 Lymphödem nach medizinischen Maßnahmen am axillären Lymphabflussgebiet, Stadium II LY
I97.83 Lymphödem nach medizinischen Maßnahmen am axillären Lymphabflussgebiet, Stadium III LY
I97.85 Lymphödem nach medizinischen Maßnahmen am inguinalen Lymphabflussgebiet, Stadium II LY
I97.86 Lymphödem nach medizinischen Maßnahmen am inguinalen Lymphabflussgebiet, Stadium III LY
Q82.01 Hereditäres Lymphödem der oberen und unteren Extremität(en), Stadium II LY
Q82.02 Hereditäres Lymphödem der oberen und unteren Extremitäten, Stadium III LY
Q82.04 Hereditäres Lymphödem, sonstige Lokalisation, Stadium II LY
Q82.05 Hereditäres Lymphödem, sonstige Lokalisationen, Stadium III LY

STOFFWECHSELSTÖRUNGEN

ICD-10 Diagnose Physiotherapie Hinweise / Spezifikation
E88.20 Lipödem, Stadium I LY nur im Zusammenhang mit komplexer physikalischer Entstauungstherapie (Manuelle Lymphdrainage, Kompressions-therapie, Übungsbehandlung / Bewegungs-therapie und Hautpflege); es sind nicht immer alle Komponenten zeitgleich erforderlich
E88.21 Lipödem, Stadium II
E88.22 Lipödem, Stadium III

Eine vollständige Zusammenfassung der Heilmittel-Richtlinie durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) finden Sie hier.

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